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Hohe Ziele, flacher Boden

Bert Meijers Augen haben Sehnsucht nach der See. Sie sind sehr hellblau und schützend zu Schlitzen verengt, wenn er auf das Wasser blickt, das der Kahn fast lautlos zerteilt. "Elektro", sagt der 65 Jahre alte Niederländer und klopft auf eine Holztruhe in der Mitte des Schiffes. "Früher musste man natürlich stochern, wenn kein Wind war." Johann Braamhaar, 68, steht am Steuer gerade und verwurzelt wie eine Eiche und ruft: "Zeig ihr das mal!" Also lächelt Meijer, schiebt verlegen seine Schirmmütze etwas tiefer, holt einen langen Holzstab hervor, klettert auf die Sitzbank, sticht ihn auf den Grund der Regge, das ist der Fluss hier im niederländischen Enter bei Enschede und stößt das Boot Stück für Stück vorwärts. Eigentlich gibt es das Boot, in dem wir langsam durch den mäandernden Fluss gleiten, schon lange nicht mehr. Die Zompen, wie die Holländer sie nennen, wurden seit etwa 1600 gebaut und erlebten zu Napoleons Zeit ihren Glanz. Auf deutsch heißen die langen Kähne Flachbodenschiffe, was daran liegt, dass sie mit nur 35 Zentimetern unter Wasser liegen und damit auch in sehr flachem Gewässer noch einsatzfähig sind. Früher ein unschlagbares Transportmittel für Waren aller Art. Aber natürlich kam dann die Eisenbahn, die Straßen wurden besser und wenn Braamhaar und Meijer heute von den alten Rekorden der Zompen schwärmen, dann wirkt es, als gäbe Opa mit seiner 50 Jahre alten Bestzeit vom Hundertmeterlauf an.

Der Faszination des Bootes konnten sich die beiden Rentner aber dennoch nicht entziehen. Deshalb gründeten sie 1986 eine Stiftung und seither halten eine Handvoll Rentner in Enter die Zompen-Tradition über Wasser. "Montags und dienstags arbeiten wir an dem neuen Boot", sagt Meijer. Und Braamhaar - der früher Lehrer war und heute im Shanty-Hemd am Ruder steht - ruft von achtern: "Und Bert macht immer die Dienstpläne für die Fahrten. Jeder von uns muss einmal in der Woche ran." Im Sommer werden stündlich Touristen wie zu Napoleons Zeiten über die Regge chauffiert - bei genug Windstärke macht Meijer den Motor aus und setzt die Segel. Im Frühjahr und Herbst gibt es den Spaß nur zweimal in der Woche. Und natürlich auf Anfrage für Gruppen.

"Wir sind schon stolz, was wir geschaffen haben." sagt Meijer. "Früher gab es drei Werften hier in Enter, von 350 Einwohnern arbeiteten 80 im Schiffsbau." Und wer einmal im Kahn über die Regge geglitten ist und erst recht derjenige, der hernach noch in der Werft eines der gut 50 Meter langen Boote im Bau bewundern durfte, der begreift die Dimension, die die beiden stolz macht. Aus einer einzigen Eiche darf das Boot nach alter Tradition gebaut werden. Siebzig Meter lang und eineinhalb Meter dick muss der Baum deshalb sein. "Solche gibt es fast nur noch in Dänemark", sagt Meijer. Das Holz wird zu langen Brettern gesägt und unter Dampf zur sich vorne und hinten verjüngenden Bootsform gebogen. 4000 Stunden gehen drauf, bis ein Zomp zu Wasser gelassen werden kann. All das erledigen die Bootsmänner in Enter ehrenamtlich. Dazu kommen aber knapp 100.000 Euro Materialkosten. Ohne eine Kulturförderung der EU gäbe es keines der Boote. Und für jedes weitere muss ein neuer Antrag bewilligt werden. 

Aber auch der Papierkram schreckt die Rentner nicht. Die Tradition muss gepflegt werden, schließlich liegt das Schiff-Gen irgendwie in der Familie. Wahrscheinlich. Meijers Vater fuhr zur See. Und Braamhaar vermutet, dass sein Großvater Zompen-Kapitän war. Belegt ist das zwar nicht, aber sicher ist, dass er englisch sprach, was für einen Bauernjungen aus der Gegend sehr ungewöhnlich war. Braamhaars Folgerung: "Er muss auf dem Schiff unterwegs gewesen sein. Die Regge hoch und irgendwann zur Nordsee. Von dort ist England ein Katzensprung."

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Kommentare: 2
  • #1

    seks telefon (Dienstag, 31 Oktober 2017 15:13)

    odmarznąłem

  • #2

    czytaj więcej (Dienstag, 31 Oktober 2017 18:15)

    paramagnetyzm