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Kaiserschmarrn-Zentrale

In meinem Kochbuch steckt ein zerknitterter Zettel. In Kinderschrift steht darauf ein großes Geheimnis: Das Kaiserschmarrn-Rezept der Milchbar in Gerlos, Tirol. Meine Tochter und meine Nichte haben es vor vielen Jahren nach beharrlichem Nachfragen und vielfachem eigenen Ausprobieren aufgeschrieben. Das Geheimnis: Puddingpulver und ein bisschen Backpulver. Selbstverständlich außerdem so viele Eier, wie nur irgend zu finden sind. Die Milchbar ist das dritte Zuhause der Mädchen. Wir kehren dort jedes Jahr ein, wenn wir in Gerlos zum Winterurlaub zu Gast sind. Und das bin ich seit 30 Jahren. Die Kinder kamen mit, als sie laufen konnten, und so ist für sie eine andere Destination des winters völlig ausgeschlossen. Wir bewohnen dort eine Ferienwohnung (zweites Zuhause), in der sich - wenn man ehrlich ist - seit 30 Jahren so gut wie nichts verändert hat. Nur eine Spülmaschine wurde nachgerüstet. Und der Eckbank-Bezug wurde erneuert. Der vom Sofa ist aber noch der gleiche. Dennoch: Wenn wir vorschlagen, einmal ein anderes Skigebiet zu erkunden, dann heißt es: "Auf keinen Fall, wir wollen nach Gerlos. Dort ist das schönste Hotel der Welt! Und die Milchbar!" Also buchen wir weiter jedes Jahr. Freunde, Partner, Ehemänner und Kinder sind dazugekommen - wir werden also jedes Jahr mehr, der Tisch in der Milchbar jedes Jahr größer. Sonst bleibt alles, wie es war. 

Dieses Jahr ist zum ersten Mal der Baby-Junge dabei. Skifahren kann er noch nicht. Aber wir haben beim "Huber" im Ort einen Schlitten ausgeliehen. Und so hopste sich der Schneezwerg dick verpackt schon das Schönachtal zur Lakenalm hinter. Hopste? fragt ihr euch? Das Verb ist korrekt, denn sobald der Junge wach ist, hängt er den Kopf hinten über den Schlitten, so dass er kurz über dem Boden schwebt, hopst mit dem Po auf und ab und lacht wie verrückt. Wollt ihr wissen, wie er dabei aussieht? So:

 

Skifahren ist in diesem Jahr übrigens ein Survival-Trip. Ich mag das ganz gerne. Wenn ich Helm und dicke Schneebrille aufsetze, darunter die Sturmhaube und die Flocken so dick fallen, dass man sich an den Pistenbegrenzungen orientieren muss, um überhaupt ins Tal zu finden, dann steigert das meine Abenteuerlust. Es ist nicht wirklich gefährlich, aber man kann es sich vorstellen, dass man auf einer Expedition ist und heil nach Hause zurück finden muss. Amundsen-Polarforscher-mäßig eben. Es schneit jedenfalls seit dem zweiten Tag ununterbrochen. Gestern wurden die Lifte abgestellt, weil noch Sturm dazu kam und als wir zu unserem Appartement hochfahren wollten, rutschte der Wagen weg und eine Gruppe großer holländischer Männer musste das Auto von der Leitplanke wegschieben, sonst wären wir reingekracht. Hochfahren konnten wir dann nur mit Anlauf. Die Mädchen waren trotz der widrigen Bedingungen ganz heiß auf die Piste. Der Grund: Sie haben dieses Jahr zum ersten Mal Snowboarden ausprobiert. Und das ist für heranwachsende Jugendliche natürlich um Längen cooler als Skifahren. Plötzlich ist das Alteleute-Sport. Für Mütter, Väter, Großväter und Großmütter. 

Aber heute ist sowieso Skipause. Man sieht die Hand kaum, wenn man sie - wie wir Kölnerinnen das gewohnt sind - eine ganze Armlänge wegstreckt. Die Schneefallwahrscheinlichkeit beträgt bis heute Abend 100 Prozent. Wir bleiben also zu Hause, hopsen vielleicht ein bisschen mit dem Schlitten und sammeln unsere Kräfte. Denn morgen Abend geht es mit dem Nachtzug nach Hause. Ich, ein Teenager und ein Baby. Kein Liegewagen, weil die schon alle ausgebucht waren. Nur Sitzplätze. Elf Stunden. Aber immerhin für unschlagbar günstige 59 Euro alles in allem. Ich bin gespannt, wie das klappt. Drückt die Daumen, ich berichte!

 

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